Projekt Stolpersteine in Heilbronn

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Rollwagstraße 16 – Sofie Reis, geborene Kahn, Margarete Reis, geborene Ettlinger, Hans David und Walter Emil Reis, Max Reis, Arthur und Carola Reis

Sofie Reis führte bis zur „Arisierung“ zusammen mit dem Neffen ihres verstorbenen Ehemannes, Max Reis, ein Manufaktur-Geschäft (Webwaren-Einzel- und Großhandel). Es wird 1893 im Adressbuch der Stadt Heilbronn in der Lohtorstraße 27 genannt. 1912 firmierte es als Möbel-Manufaktur-Aussteuergeschäft, im Adressbuch 1925 wird als Geschäftsadresse die Innere Rosenbergstraße 22 angegeben, wobei sich offenbar auch die Privatwohnungen der Inhaber dort befanden.

Die Familie Reis stammte ursprünglich aus Portugal und soll um 1622 nach Baden eingewandert sein. Seit 1672 ist sie in Wollenberg registriert, heute Teilort von Bad Rappenau. Die dortige jüdische Gemeinde hatte zeitweilig über 400 Mitglieder, da die Adelsfamilie von Gemmingen-Guttenberg die Ansiedlung jüdischer Menschen begünstigt und durch den Bau größerer Wohnhäuser unterstützt hatte – eine typische Ansiedlung des sog. Landjudentums, dessen Mitglieder meistens im Landhandel tätig waren.

Um 1890 zogen die Brüder Baruch und David B. Reis nach Heilbronn und eröffneten das beschriebene Manufakturgeschäft. Baruch Reis war zeitweilig Vorsitzender der israelitischen Religionsgemeinschaft Adass-Jeschurun, Mitglied einer zionistischen Ortsgruppe, in den Vereinen Eintracht und Allianz sowie im jüdischen Wanderbund Blau-Weiß. Er war verheiratet mit Sofie geb. Kahn (geb. 02.02.1876) aus Schwäbisch Gmünd. Das Ehepaar hatte vier Kinder, die zwischen 1933 und 1938 alle auswanderten.

Baruch Reis verstarb 1930. Seine Ehefrau Sofie führte das Geschäft zusammen mit dem Neffen ihres Mannes, Max Reis, weiter. Sofie Reis soll einen streng orthodoxen Haushalt geführt haben. Im Rahmen der nationalsozialistischen Zwangsmaßnahmen wurde sie dann zum Umzug gezwungen, zunächst in die Bismarckstraße 3a, am 23. März 1942 nach Haigerloch und von dort aus nach Treblinka, wo sie ermordet wurde.

Max Reis, geb. am 14. August 1897 in Heilbronn, war wie erwähnt am Geschäft der Familie Reis beteiligt; nach dem Tod seines Onkels Baruch Reis führte er es gemeinsam mit seiner Tante Sofie Reis. In der israelitischen Gemeindeliste wird noch 1937 die Innere Rosenbergstraße 22 als sein Wohnsitz aufgeführt. Sein Vater, David B. Reis (geb.1858) hatte mit seinem Bruder Baruch das Geschäft aufgebaut; er war lange Zeit im Vorstand der orthodoxen israelitischen Religionsgemeinschaft sowie im Vorstand des israelitischen Wohltätigkeitsvereins. David Reis starb wie auch seine Ehefrau Sarah (geb. 1867) im Jahr 1925 in Heilbronn.

Max Reis war Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg, er wurde ausgezeichnet mit dem EK II und dem „eisernen Halbmond“. Seine Frau Margarete geb. Ettlinger (geb. 02.01.1906) stammte aus Bretten; sie hatten 1928 geheiratet. Das Ehepaar hatte zwei Kinder, Hans-David (geb. 15.03.1933) und Walter-Emil (geb. 17.09.1935). Hans-David soll zeitweilig die jüdische Privatschule besucht haben.

Max Reis wurde 1938 wohl nach dem Novemberpogrom ins KZ Dachau deportiert und nach vier Wochen wieder freigelassen. Er wanderte 1939 über England in die USA aus; seine Ehefrau und die beiden Kinder blieben zurück. Seinen Plan, die kleine Familie nachzuholen, konnte er leider nicht realisieren: Margarete Reis und ihre beiden Kinder Hans-David und Walter-Emil wurden am 25. Oktober 1939 nach Sontheim ins Haus Dr. Picard umgesiedelt, am 1. Dezember 1941 nach Riga deportiert und dort ermordet. Die Todesdaten sind nicht bekannt.

Max Reis lebte nach seiner Auswanderung in Chicago. Er verheiratete sich dort wieder und ist zwischenzeitlich verstorben.

Arthur Reis (geb. 25.03.1904) war der Sohn von Sofie und Baruch Reis. Er wurde Architekt und lebte nach der Auswanderung in Tel Aviv und Jerusalem. Arthur Reis war auch beteiligt am Aufbau von landwirtschaftlichen Kooperativen wie Nahariya, Shavei Zion und Ramot Haschawim in der Gegend von Akko.

1935 heiratete er in Palästina; seine Mutter Sofie Reis sah zu diesem Anlass ihre Kinder Arthur und Carola zum letzten Mal. Nach Angaben ihres Enkelsohnes Danny Reis konnte sie sich in Palästina nicht einleben und kehrte nach Heilbronn zurück, auch weil sie ihren Kindern nicht zur Last fallen wollte.

Arthur Reis hatte sich zunächst geschworen, nie mehr deutschen Boden zu betreten; dennoch kam er nach dem Krieg mehrfach nach Heilbronn und nahm wieder Kontakt zu früheren Freunden auf. Er verstarb 1994 in Israel.

Carola Reis (geb. 1909) ist zusammen mit ihrem Bruder Arthur im Jahr 1933 nach Palästina ausgewandert. Sie heiratete Prof. David Shapiro und war wie er an der Universität in Jerusalem tätig. Sie hatte eine Tochter. Carola Shapiro verstarb in den 1980er Jahren.





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